Joanna Bukowska, „Die Sprache zerbricht. Zerflattert. Zerstiebt” Kontextgebundene Analyse dekonstruktiver Verfahren in der Prosa von Marlene Streeruwitz und ihren polnischen Übersetzungen aus der Perspektive der Descriptive Translation Studies

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Wydanie I
Poznań 2021
Format 21x14,5 cm
ISBN 978-83-66666-81-8
DOI 10.48226/dwnuam.978-83-66666-81-8_2021.15
ss. 276

język: niemiecki

Als Methodologie der vorliegenden Studie wurde der deskriptive Ansatz der Übersetzungswissenschaft gewählt, eine beschreibende Herangehensweise an die Übersetzung, die sich im Zuge der ‚kulturellen Wende‘ in der Übersetzungsforschung herausgebildet hat und eine umfassende Betrachtung von Ausgangs- und Zieltext in ihrem jeweiligen kulturellen Kontext postuliert. Die sich in den 1960er Jahren etablierenden Descriptive Translation Studies gehen in ihren Grundannahmen über das linguistisch orientierte Paradigma hinaus und verweisen auf die Notwendigkeit der Berücksichtigung der Kontexte bei der Analyse translatorischer Leistungen. Zentral ist also die Forderung einer kontextintensiven Betrachtung der Originaltexte und ihrer Übersetzungen und damit der Normbegriff, der als zentraler Aspekt der DTS eine besondere Berücksichtigung erfährt. Zwischen Ausgangs- und Zielkultur aufgespannt, haben es Übersetzungen immer auch mit den in beiden Kulturen geltenden sprachlichen und ästhetischen Normen zu tun. Beim Übersetzungsprozess müssen Translatoren dem Normenkonflikt von Ausgangs- und Zielkultur die Stirn bieten – sie oszillieren so stets zwischen Verfremdung, dem Bewahren der stilistischen Eigentümlichkeiten des Originals und einer Manipulation der Texte im Sinne der Normen der Zielkultur. Solche Überlegungen wurden im Rahmen der sog. Manipulation School angestellt, deren Leistungen gesondert gewürdigt werden. Im Anschluss an die möglichen translatorischen Wege – der verfremdenden oder einbürgernden Übersetzungsstrategie – wird das Problem der ‚Sichtbarkeit‘ der Übersetzer*nnen nach den Annahmen Lawrence Venutis erörtert. Übersetzungen entscheiden mit darüber, welchen Platz die Texte im literarischen Polysystem der Zielkultur einnehmen. In diesem Zusammenhang wird die Polysystemtheorie von Itamar Even-Zohar diskutiert. Dieses Problemcluster steckt den theoretischen Rahmen der Studie ab.
Es soll hervorgehoben werden, dass die vorliegende Arbeit sich nicht als Beitrag zu einer feministischen Übersetzungskritik versteht. Es wird zwar auf den Ansatz der feminist translation von Luise von Flotow und das Konzept der ‚genderbewussten Übersetzungswissenschaft‘ von Vera Elisabeth Gerling eingegangen, jedoch zielt die Darstellung von Ansätzen der feministisch orientierten Übersetzungswissenschaft darauf ab, die Kompetenzen und den Status der Übersetzer*innen zu diskutieren und die Grenzen zu einer Manipulation der Texte im Sinne ideologischer Vorentscheidungen zu markieren. Die Verfasserin der Studie optiert für eine kontextgebundene Übersetzungsanalyse und unternimmt den Versuch, das translatorische Entscheidungsverhalten der polnischen Übersetzerinnen zu beobachten und es auf die Kontexte von Ausgangs- und Zieltext zu beziehen. Der Feminismus von Streeruwitz versteht sich dabei als einer der Kontexte der Autorin und ihrer Texte und wird bei der Kritik der Translate mitberücksichtigt.
Die vorliegende Studie besteht aus zwei Hauptteilen – einer umfangreich umrissenen Theorielandschaft und einer kontextgebundenen kontrastiven Analyse der Originaltexte sowie ihrer polnischen Übersetzungen. Der theoretische Teil der Studie versteht sich als Einführung in das Sachgebiet, in dem der Bestand an einschlägigen theoretischen Positionen der Übersetzungswissenschaft beleuchtet wird. Zunächst wird ein geschichtlicher Überblick über den cultural turn in den Geisteswissenschaften geliefert, der deutlich zur Umorientierung der Übersetzungswissenschaft beitrug. Anhand der Monographie von Doris Bachmann Medick Cultural Turns. Neuorientierungen in den Kulturwissenschaften werden die Implikationen der kulturellen Wende für die Übersetzungswissenschaft erörtert. Eng mit der kulturellen Wende ist die beschreibende Übersetzungswissenschaft verbunden. Aus diesem Grunde wird im weiteren Teil der Studie auf die Entwicklung der Descriptive Translation Studies eingegangen, die „zu den führenden Schulen in der heutigen Übersetzungswissenschaft in Europa gezählt“ wird. Als Einzelaspekte der DTS, die für die vorliegende Studie relevant sind, werden in den weiteren Unterkapiteln die Leistungen der sog. Manipulation School, die Polysystemtheorie nach Itamar Even-Zohar und der Normbegriff nach Gideon Toury ausführlich beleuchtet. Anschließend wird im Anschluss an Lawrence Venutis Arbeiten The translator’s invisibility und Rethinking Translation. Subjectivity. Ideology der Status der Übersetzer*innen erörtert. Das Problem der ‚Sichtbarkeit‘ der Übersetzerin wird in einer kritischen Revision der Thesen von Flotows und Gerlings zugespitzt und dabei die Grenzen zwischen einer essentialistisch grundierten feminist translation und einer ‚genderbewussten Übersetzungswissenschaft‘ abgesteckt, die nach den Grundannahmen der deskriptiven Übersetzungswissenschaft eine kontextintensive Beobachtung dekonstruktiver Verfahren in Texten weiblicher Autorinnen sowie ihrer Übersetzungen fordert. Mit diesen Überlegungen wird der theoretische Rahmen der Studie abgerundet.
Die Methodologie der Studie basiert auf dem von Lance Hewson entwickelten Modell einer kontextgebundenen Übersetzungsanalyse die es ermöglicht, die Kontexte der Ausgangs- und Zieltexte bei der Analyse der translatorischen Entscheidungen der Übersetzerinnen Kowaluk und Bielicka mitzuberücksichtigen. Das Modell ist durch Übersichtlichkeit gekennzeichnet und erlaubt die Integrierung der folgenden Kontexte: Basisinformationen zum Ausgangstext und Einführung in den Romankontext, Eigenschaften des Zieltextes, Basisinformationen zur Übersetzerin, Paratexte zum Ausgangstext/ Paratexte zum Zieltext, kritische Mittel, Analyse der Makrostruktur. Diese nach dem Modell Hewsons zusammengetragenen Kontextinfomationen bilden den kritischen Rahmen (critical framework), nach der die Analyse der Übersetzungen erfolgen kann. Mit der ausführlichen Darstellung des methodologischen Rahmens wird der theoretische Teil der Studie abgeschlossen.
Da Streeruwitz‘ komplexe Einstellung zum Feminismus einen der wichtigen Kontexte der Autorin und ihrer Schreibpraxis darstellt, entschied sich die Verfasserin, zu Beginn des analytischen Teils der Studie einen Exkurs einzufügen, in dem die Positionen der feministischen Literaturwissenschaft nachgezeichnet werden. Dabei wird den Grundannahmen der sog. écriture fémine besondere Aufmerksamkeit zuteil. Die kritische Revision der essentialistischen Posulate feministischer Theoretikerinnen sowie der dekonstruktivistische Ausrichtung der jüngeren feministischen Literaturwissenschaft liefert ein Hintergrundwissen und versteht sich als eine Einführung in die Kontexte der Autorin, welche zum Nachvollziehen ihrer Individualästhetik beitragen.
Anschließend erfolgt im analytischen Teil der Studie eine kontrastive Analyse der Ausgangstexte und ihrer polnischen Übersetzungen auf der mikrotextuellen Ebene. Hierzu werden anhand ausgewählter Textpassagen Parameter wie: Syntax, Lexik und Erzählperspektive der Vorlage und des Translats untersucht – darauf basierend werden die translatorischen Strategien ermittelt und das übersetzerische Entscheidungsverhalten beider Übersetzerinnen erfasst. Da das literarische Programm von Streeruwitz sich in den feinsten Strukturen ihrer dichtgewobenen Texturen realisert, wurde die Methode des close-reading gewählt. In einer minutiösen Analyse sollen die dekonstruktiven Verfahren der Autorin und eventuelle Verschiebungen in den Übersetzungen sichtbar gemacht werden. Den kritischen Rahmen der Untersuchung steckt dabei das Nachvollziehen des translatorischen Handelns im Normgeflecht zwischen der Ästhetik der Autorin und der Zielkultur ab. Hierbei hat sich die Verfasserin von folgenden Fragen leiten lassen:
– Wie wird das literarische Programm Streeruwitz‘ in ihren Texten realisiert? Welche dekonstruktiven Verfahren kommen zum Tragen und welche Kontexte liegen ihnen zugrunde?
– Mit welchen translatorischen Strategien reagieren die Übersetzerinnen Agnieszka Kowaluk und Emilia Bielicka auf Streeruwitz‘ Texte? Wahren die Übersetzerinnen die dekonstruktive Poetik von Streeruwitz und bringen sie im Zieltext zum Vorschein?
– Worauf sind die eventuellen Diskrepanzen zwischen der Vorlage und dem Translat in Bezug auf Lexik, Satzstruktur und Perspektivenwiedergabe zurückzuführen?
– Werden die Eigentümlichkeiten von Streeruwitz‘ Individualästhetik in den Übersetzungen eingeebnet?
– Wie wirken sich die translatorischen Lösungen der Übersetzerinnen auf die Rezeption der Translate in der Zielkultur aus?
– Welches Übersetzungsverständnis liegt Bielickas und Kowaluks übersetzerischer Leistung zugrunde?
Die Arbeit wird mit Schlussfolgerungen abgeschlossen, in denen eine Gesamteinschätzung der beiden Übersetzungen auf der makrotextuellen Ebene versucht wird. Hierbei werden aus der Zusammenschau der translatorischen Entscheidungen die jeweils zugrunde liegenden übersetzerischen Strategien ermittelt und auf translatologische Diskurse bezogen. (mit der Einführung)

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